Fast scheint der Lockdown-Stillstand in den ersten Monaten dieses Jahres schon vergessen und angesichts der Impfungen hat Corona hierzulande viel von seinem Schrecken verloren. Trotzdem ist die Annahme verfehlt, die Corona-Krise sei schon überwunden. Nach wie vor gelten vielerorts auf der Welt Beschränkungen – mit Auswirkungen auf  Verkehr und Transport.

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Bereits im vergangenen Jahr ist deutlich geworden, wie sehr das Pandemie-Geschehen die internationalen Lieferketten durcheinander bringen kann. Unterbrochene Lieferungen wirkten sich massiv auf die Produktion in vielen Branchen aus und beeinträchtigten die globale Wirtschaft nachhaltig.

Und das Risiko von Störungen besteht auch weiterhin. Noch schlimmer: Die globalen Lieferketten sind nach wie vor massiv gefährdet. Darauf haben maßgebliche internationalen Transportverbände und Gewerkschaften in einem offenen Brief hingewiesen. Diesen richteten sie an die UN-Vollversammlung, die Ende September in New York stattgefunden hatte.

Was sind globale Lieferketten?

Die Definition einer globalen Lieferkette ist ziemlich geradlinig: Es handelt sich um ein weltweit angelegtes System, das ein Unternehmen zur Bereitstellung von Produkten oder Dienstleistungen nutzt. Eine solche internationale Lieferkette nutzt die Beschaffung in Niedrigkostenländern – sprich die Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen aus Ländern mit niedrigeren Lohn- und geringeren Produktionskosten als im Land, in welchem diese schlussendlich vertrieben werden. Diese globalen Lieferketten sind laut dem an die UN-Vollversammlung gerichteten offenen Brief aktuell in Gefahr.

Transportarbeiter in der Pandemie schlecht behandelt

Getragen wird das Schreiben von den folgenden Organisationen:

Der Brief ist ein Appell an die in New York versammelten Regierungen und Politiker, endlich zu einem gemeinsamen Vorgehen im Kampf gegen Corona zu kommen und noch bestehende pandemiebedingte Hindernisse für den weltweiten Transport zu beseitigen. Teilweise liest sich das Schreiben wie eine Anklage wegen unterlassenem Handeln und gebrochener Versprechen.

Die Beschäftigten in der internationalen Transportwirtschaft wurden in der Pandemie schlecht behandelt, so die Verfasser. Und das, obwohl diese maßgeblich dazu beigetragen hätten, den weltweiten Güterverkehr weiter aufrecht zu erhalten. Der Brief nennt des Weiteren konkrete Beispiele:

  1. In der schlimmsten Pandemie-Zeit mussten rund 400.000 Besatzungsmitglieder von Handelsschiffen an Bord bleiben. Dadurch wurden ihre ursprünglich vereinbarten Arbeitszeiten um bis zu 18 Monate verlängert.
  2. LKW-Fahrer seien gezwungen gewesen, aufgrund von Corona-Beschränkungen wochenlang unter schwierigen hygienischen Bedingungen an Grenzen auszuharren.
  3. Beschäftigte von Luftfrachtgesellschaften seien mit uneinheitlichen Grenzübertritts-, Reise- und Impfvorschriften konfrontiert gewesen.

Zum Teil gelte dies immer noch.

Sorgenvoller Blick auf Weihnachten: Lieferengpässe bis weit ins Jahr 2022

Bereits jetzt herrsche im Transportbereich ein akuter Fachkräftemangel. Es sei zu befürchten, dass sich diese Mangelsituation angesichts der Enttäuschungen und der negativen Pandemie-Erfahrungen weiter verschärfe. Mit Sorge blicken die Verbände auf die kommende Weihnachtszeit – erfahrungsgemäß handelt es sich dabei um Wochen mit besonders intensivem globalen Güterverkehr und Transportbedarf.

Schon jetzt gebe es außergewöhnliche Unterbrechungen, Verspätungen und Engpässe bei wichtigen Gütern wie Elektronik, Lebensmitteln, Treibstoff und medizinischen Produkten. Wenn die Verbrauchernachfrage vor Weihnachten wie üblich steige, sei mit Lieferproblemen bis weit ins Jahr 2022 zu rechnen.

Die Verbände fordern angesichts dieser “Perspektiven” ein koordiniertes Vorgehen der Regierungen sowie mehr Führung bei der Überwindung der Pandemie und ihrer Folgen. Gegenseitige Schuldzuweisungen müssen ebenso aufhören wie fragmentierte Maßnahmen ohne Abstimmung. Beschränkungen, welche die Bewegungsfreiheit von Transportarbeitern behindern, sollen aufgehoben werden. Den Beschäftigten sei sichere und freie Bewegung zu garantieren. Ebenso fordern sie einen bevorzugten Zugang von Mitarbeitern zu Impfungen.

Außerdem seien für Transportarbeiter weltweit harmonisierte, digitalisierte und gegenseitig anerkannte Nachweise über Impfungen und Tests für einen ungehinderten Grenzübertritt nötig. Die Verbände verlangen zudem eine bessere Zusammenarbeit zwischen der WHO und den nationalen Regierungen.

Was kann ein Appell bewirken? Ob ein solcher Appell kurzfristig Wirkung zeigen wird, müssen wir wohl eher bezweifeln. Erfahrungsgemäß dauert es recht lange, bis sich internationale oder gar globale Initiativen in konkreten Veränderungen “vor Ort” niederschlagen. Immerhin dürfte das Schreiben das Bewusstsein für die Probleme des internationalen Transports in der Pandemie geschärft haben. Stärker als das Schreiben werden aber die in den letzten Wochen stark gestiegenen Preise vieler Güter Handlungsdruck erzeugen. Diese sind zumindest zum Teil gestörten Lieferketten geschuldet. Diese Störungen werden zunehmend zur Belastung für die Weltwirtschaft. Und die kann sich eigentlich niemand leisten.