Als im ersten Quartal dieses Jahres das Corona-Virus sich zur globalen Pandemie auswuchs, kam es vielfach zu empfindlichen Störungen und Stau der globalen Lieferketten. Lockdowns und Produktionsstopps rund um den Globus lähmten überall das Wirtschaftsgeschehen und den Welthandel. Die internationale Seeschifffahrt schien vor schweren Zeiten zu stehen.
Zum Jahresende hat sich das Bild gründlich gewandelt. Es wird über die Meere transportiert, was das Zeug hält. Die Reedereien haben Mühe, die Nachfrage zu bewältigen, die Frachtraten steigen drastisch und bei Containern kommt es zu echten Engpässen. Der Container-Mangel entwickelt sich zum Hemmklotz schlechthin beim Gütertransport. Dies ist umso erstaunlicher, da sich Europa gerade anschickt, in einen zweiten Lockdown zu gehen.
Der Wiederaufstieg Chinas nach der Corona-Krise
Für die “neue Lage” gibt es verschiedene Gründe. Eine maßgebliche Ursache ist das Wiederanspringen der chinesischen Wirtschaft. Im Reich der Mitte trat das Virus zuerst auf, die chinesische Regierung reagierte damals mit scharfen Maßnahmen – mit Erfolg. Corona scheint inzwischen vollständig überwunden und der chinesische Wirtschaftsmotor läuft wieder auf vollen Touren. Die Volksrepublik entwickelt sich zunehmend zum Lieferanten der übrigen Welt. Dort wird produziert, was woanders ge- und verbraucht wird.
Derzeit kommen drei Faktoren zusammen, die Chinas Exporte begünstigen:
- in China stellen die Fabriken wieder uneingeschränkt Güter her, während in vielen anderen Ländern die Produktion immer noch unter Corona-Einschränkungen leidet. Ob Konsum- oder Investitionsgüter, manches muss jetzt in Fernost bestellt werden, was sonst aus heimischer Herstellung gedeckt worden wäre;
- bei Schutzausrüstungen und Masken hat China einen klaren Wettbewerbsvorteil. Der weltweite Bedarf ist gigantisch und nur die Hersteller aus der Volksrepublik sind in der Lage, die Nachfrage zu befriedigen. Woanders fehlen Produktionskapazitäten und Know How;
- aktuell trägt auch das Weihnachtsgeschäft zum chinesischen Exportboom bei. Die Weihnachtszeit ist die umsatzstärkste Zeit bei Konsumgütern. Und vieles, was sich als Geschenk unterm Weihnachtsbaum findet, trug lange vor Corona den Aufdruck “Made in China”. Da Europäer und Nordamerikaner wegen der Pandemie nicht verreisen können, investieren sie diesmal verstärkt ins eigene Heim. Heimwerkerartikel, Textilien, Fitnessgeräte, Möbel, Spielwaren und Unterhaltungselektronik aus China sind gefragt wie nie – nicht nur zum Fest.
Hier stauen sich Container – dort fehlen Leercontainer
Das Problem für den Seetransport ist die “Einseitigkeit” der Beförderung. Es werden vor allem Waren von China in andere Regionen der Welt transportiert. In umgekehrter Richtung ist viel weniger Transportbedarf gegeben. Denn die Chinesen sind in deutlich geringerem Maß auf Einfuhren angewiesen als sie exportieren. Das hat zu “Ungleichgewichten” in der internationalen Container-Verfügbarkeit geführt. In manchen Häfen in Nordamerika und Europa stauen sich gerade volle Container, weil dort nicht genügend Kapazitäten für Löschung und Entladung vorhanden sind. In China wird dagegen händeringend nach Leercontainern gesucht und man ist nicht in der Lage, wartende Waren zu verstauen.
Diese Unwucht macht sich auch in den Frachtraten bemerkbar und hat zu der kuriosen Situation geführt, dass mancher Reeder gelöschte Container leer nach China zurückbefördert, weil die Frachtrate von China zum Zielort ein Mehrfaches der Frachtrate in umgekehrter Richtung beträgt. Es würde – wirtschaftlich gerechnet – einfach zu lange dauern, den Container erst für die Rückbeförderung nach China zu beladen.
Es gibt auch einen Brexit-Stau
Einen besonderen Container-Stau erlebt derzeit Großbritannien. Hier kommt neben den Corona-Effekten auch noch der Brexit verschärfend hinzu. Viele Unternehmen im Vereinigten Königreich wollten vor dem Ende der Brexit-Übergangsphase am 31.12. noch schnell ihre Lager auffüllen und haben daher kräftig eingekauft. Dabei sind die Lager in britischen Häfen schon ziemlich voll mit Corona-Schutzausrüstungen.
Die Container-Problematik in Verbindung mit dem internationalen Transport-Boom schlägt sich übrigens nicht nur bei der Seebeförderung nieder. Auch in der Luftfracht und bei Beförderung auf Schiene und Straße wird derzeit hart gearbeitet. Man darf gespannt sein, ob das neue Jahr Entspannung und eine Normalisierung der Lage bringt.