Der Zollkodex bildet die Grundlage des europäischen Zollrechts. Damit sollen die Zollvorschriften in den einzelnen Mitgliedsstaaten auf eine einheitliche Grundlage gestellt werden bzw. einen gemeinsamen Rahmen erhalten.

Zollrecht ist eine komplizierte und nicht gerade begeisternde Materie. Trotzdem sind solche Regelungen unerlässlich. Die Vereinheitlichung des Zollrechts ist eine der wesentlichen Bedingungen für das Funktionieren des Binnenmarktes und die Abgrenzung gegenüber anderen Wirtschaftsräumen.

Vom gemeinschaftlichen Zollkodex zum Unionszollkodex

Schon im Jahre 1992 ist erstmals ein “Zollkodex der Gemeinschaften” durch ein entsprechende Ratsverordnung etabliert worden, in Kraft getreten ist er Anfang 1994. Mit der zugehörenden Zoll-Durchführungsverordnung und der Zollbefreiungsverordnung wurde für das Zollrecht in der EU nahezu komplett eine einheitliche Basis geschaffen. In den folgenden Jahren gab es mehrfach Änderungen, zuletzt im Rahmen des “Modernisierten Zollkodexes” im Jahre 2008, der allerdings nie volle Gültigkeit erlangt hat. Dieses ursprüngliche Gesetzeswerk ist 2013 durch den neuen “Zollkodex der Europäischen Union” vollständig ersetzt worden.

Komplette Zoll-Digitalisierung bis 2020

Die Notwendigkeit einer Neufassung ergab sich zum einen aus einigen Implikationen des Lissaboner Vertrages, zum anderen aus technischen Umsetzungsproblemen. Das neue Zollrecht strebt künftig die vollständige digitale Abwicklung aller Zollvorgänge in der EU an – und zwar nicht nur im Hinblick auf Zollanmeldungen, sondern auch bei der Kommunikation zwischen Wirtschaftssubjekten und Zoll sowie der Zollbehörden untereinander. Dafür wird eine entsprechende EU-weite Infrastruktur benötigt, deren Aufbau sich als langwieriger erwiesen hat als ursprünglich erwartet wurde. Aus diesem Grund sieht der Unionszollkodex für diesen “IT-Bereich” jetzt eine Übergangszeit bis 2020 vor und bietet die Grundlage für entsprechende Übergangsvorschriften, die im sogenannten “Transitional Delegated Act” geregelt werden. Wesentliche Änderungen beim ATLAS-Verfahren sind jedoch nicht vor 2018 zu erwarten.

Die Änderungen des Zollrechts im Überblick

Der Unionszollkodex ist zwar bereits seit dem 30. Oktober 2013 in Kraft, in vollem Umfang wird er aber erst seit dem 1. Mai 2016 angewendet. Insofern handelt es sich um “brandaktuelles” Zollrecht. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, die zahlreichen Änderungen und Neuerungen im Detail zu behandeln. Die Lektüre des fast 300 Artikel umfassenden Werkes ist nur etwas für “Eingeweihte”, die sich im EU-Recht im Allgemeinen und im EU-Zollrecht im Besonderen mit seinen Einwicklungen im Zeitablauf auskennen. Daher soll an dieser Stelle ein “Grobüberblick” genügen:

Drei Zollverfahren

In Zukunft sind nur noch drei Zollverfahren vorgesehen: die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, die Ausfuhr und besondere Zollverfahren. Existierende Bewilligungen im Hinblick auf “Alt-Verfahren” werden nach und nach geprüft und ggf. bis Ende 2017 umgestellt. Die Hauptzollämter kommen von sich auf die Inhaber zu.

Zollwert und Zollschuld

Die bisherige sogenannte “First-Sale-Rule” gilt jetzt nicht mehr. Nach dieser Regelung konnten unter bestimmten Bedingungen Vorerwerberpreise bei der Ermittlung des Zollwertes berücksichtigt werden. Für “Alt-Verträge” besteht eine Übergangsregelung bis 2019. Lizenzgebühren müssen ab sofort in den Zollwert einbezogen werden, auch wenn der Lizenzgeber nicht mit dem Verkäufer identisch ist. Hier sollen bestehende Verträge entsprechend überprüft werden. Im Zollschuldrecht werden neue Erlöschens-Tatbestände und Heilungsmöglichkeiten eingeführt. So führen Fehler bei der Zollanmeldung nicht mehr automatisch zur Entstehung einer Zollschuld.

Warenursprung und Präferenzen

Die Regelungen zur Anwendung von Lieferantenerklärungen bleiben weitgehend bestehen, werden aber in das Durchführungsrecht zum Unionszollkodex überführt. Bei Langzeiterklärungen wurde der Geltungszeitraum erweitert. Ab dem 1. Mai 2016 ausgestellte Langzeiterklärungen können 24 Monate lang (bisher nur maximal 12 Monate) berücksichtigt werden.

Veredelung

Das bisherige Umwandlungsvefahren wird mit der aktiven Veredlung verbunden. Hier entfällt das Zollrückvergütungsverfahren. Bei der passiven Veredlung ist nur noch die Mehwertverzollung vorgesehen. Die komplexe Differenzmethode als Wahl-Alternative wird ersatzlos gestrichen.

Verbindliche Auskünfte

Ab dem 1. Mai 2016 erteilte verbindliche Zolltarifauskünfte haben nur noch eine Gültigkeit von drei Jahren, das betrifft auch verbindliche Ursprungsauskünfte. Vor dem 1. Mai 2016 erteilte “Alt-Auskünfte” behalten dagegen sechs Jahre Gültigkeit. Neu ist ferner, dass die verbindliche Auskunft nicht nur den Zoll bindet, sondern auch den Auskunftsadressaten.

Vorübergehende Verwahrung

Die vorübergehende Verwahrung ist immer dann gegeben, wenn Nicht-EU-Ware beim Import noch nicht in ein Zollverfahren überführt worden ist. Mit dem neuen Unionszollkodex ist hier ab sofort eine Bewilligung durch den Zoll zwingend. Außerdem muss eine Sicherheitsleistung gestellt werden.

Zentrale Zollabwicklung

Unternehmen sollen bei Ausfuhren künftig nur noch mit einer Zollstelle kommunizieren müssen. Die “überwachende Zollstelle” stimmt dann den Ausfuhrprozess mit allen sonst beteiligten Zollstellen “intern” ab. Voraussetzung für diese Vereinfachung ist die Anerkennung des Unternehmens als “zugelassener Wirtschaftsbeteiligter” (AEO-Status). Bei den Bewilligungsvoraussetzungen für den AEO-Status sind die Anforderungen an den “Zoll-Beauftragten” verschärft worden. Hier ist künftig die berufliche oder praktische Befähigung im Zusammenhang mit der Tätigkeit nachzuweisen.

Eine detailliertere Darstellung der einzelnen Rechtsänderungen ist unter anderem hier zu finden: Der_Zollkodex_der_Union/Wesentliche_Rechtsaenderungen/wesentliche_rechtsaenderungen